Sterne im Bauch

Geliebter,

Du sprengst mein Herz, zum Bersten gefüllt mit Glück.
Wann fällt der Funke, der mich in die Selbstauflösung explodieren lässt?

In tausend gleißende Brausepulverstückchen zerstiebe ich.
Bis nichts bleibt, als alles umgebende Dunkelheit.

Und wie Millionen von Menschen vor mir bin ich dem nervösen Zittern meiner Seele ausgeliefert.

Ich will dich malen, beschreiben, in allen Farben, die mir ins Auge springen.

Verrückt und beschämt, vor all diesen, meinen kitschigen Gedanken stehend, wie vor einem Spiegel.

Und doch will ich sie nicht fortwischen,
Denn jetzt,
in diesem Moment
sind sie das Aufrichtigste, was mein Verstand zu Tage befördert.

Und ich glaube zu wissen, dass die schönste Form des Leidens die ist,
die erwiedert wird.

8 Gedanken zu „Sterne im Bauch“

  1. [Ausatmer]
    Ich kenne das Gefühl, das du beschreibst
    – das zum Bersten mit Glück gefüllt sein, (überfüllt)
    das mulmige Wissen
    über die potentielle Explosion
    die Dunkelheit
    (die aber meistens doch unwahrscheinlich weit weg erscheint)

    Die übersprudelnden Bedürfnisse
    Gefühle, Zuneigung,
    ganz viel Zuneigung!
    (ja! Ausrufezeichen!
    wie verliebte Teenager!)

    Die komisch-beschämenden Gedanken
    (bemerken, dass etwas doch nicht ganz richtig ist
    an der Art, den Gedanken,
    dem Verhalten, den Gefühlen?
    – dabei scheint es so intuitiv, einfach da,
    in mir, aus mir heraus)

    aber etwas daran
    fühlt sich gefährlich an.

    Es scheint mir ein zu dünnes
    und zu oft betretenes Eis,
    den Schmerz,
    der (in unserer Gesellschaft/Kultur?)
    mit Liebe verbunden wird,
    zu romantisieren.

    Ich habe Angst, dass wir uns von Geliebten
    in Brausepulverstückchen zerstäuben lassen.

    Ich habe Angst
    um mich,
    um andere wie mich,
    die damit leben
    von Männern* verletzt zu werden.

    Von Männern*,
    die unaufmerksam mit ihren eigenen Gefühlen sind,
    sie nicht äußern,
    nicht wissen,
    wie sie sagen sollen,
    was sie brauchen,
    sich nicht ausdrücken können,
    stattdessen in Wut fliehen
    oder Härte, Verbitterung,
    die Gewalt ausüben
    – von kaum merkbaren Stichen,
    bis tief einschneidenden Wunden –

    Ich habe Angst
    vor toxischer Männlichkeit,
    vor Macht,
    männlicher Macht.

    Die Macht, die ein Mann* hat –
    die die Gesellschaft/unsere Kultur ihm verleiht –
    die mich dazu bringt,
    meine Bedürfnisse zu unterdrücken,
    auf leise zu stellen,
    wenn ein männliches Bedürfnis
    dem entgegensteht.

    Diese Macht,
    die auch vor dem Spielfeld der Liebesbeziehungen
    keinen Halt macht,
    die gerade dort,
    durch „Liebe“
    (die starke emotionale Bindung, teils „Abhängigkeit“)
    bekräftigt wird.

    Und vor ihrer Giftigkeit.

    Ich bin verletzt und erschöpft
    davon, zu versuchen
    einen Menschen zu lieben,
    der mich abstößt, wenn ich ihm nah sein möchte
    und an sich zieht, wenn ich wo anders sein will.
    Den ich versuche nicht zu verletzen, aber
    es manchmal doch tue
    (der sich verletzt fühlt,
    wenn ich mich entscheide meinem Bedürfnis zu folgen,
    anstatt seinem –
    wofür ich mich nicht entschuldigen werde,
    den ich aber auch mit Analysen schon verletzte,
    die ich anstellte anstatt zu sagen, was ich brauchte,
    was ich versuche zu verändern).
    Von dem aus ich Druck empfinde
    und dem ich trotzdem
    oft nah sein möchte.

    Ich bin verletzt und erschöpft,
    von dem ständigen Zwiespalt;
    dem Mich-um-ihn-kümmern-wollen
    und dem „Die Care-Arbeit für einen Typen leisten“-verweigern-wollen.

    Von dem ihn sehen Wollen
    und bemerken,
    dass es kein leichtes Sehen-wollen ist,
    sondern ein schweres
    verhindern, dass er wieder pissig ist -wollen
    (oder ein, er würde mich gern sehen und mir passt es nicht so ganz, aber ich habe auch nicht stark was dagegen – ein sein Bedürfnis höher als mein eigenes werten).

    Von dem angestrengten Versuchen
    gewaltfrei zu kommunizieren
    und die Vorwürfe aus seinem Mund
    tief in meine Brust sickern zu sehen.

    Von dem eine Beziehung mit ihm führen zu wollen,
    aber keine bedingungslose Verbindung zu ihm
    (keine Verbindung zu seinen Gefühlen,
    eine Blockade, blockierende Angst?)
    spüren zu können.

    Und bei all dem dennoch zu wissen,
    dass er mich gern hat, eigentlich.
    (Und ich ihn auch, irgendwie)

    Ich will nicht mehr
    ihm hinterherlaufen,
    wenn er sich wegdreht.
    Ich will nicht mehr
    seinen Kopf streicheln,
    wenn ich mich verletzt fühle.
    Ich will nicht mehr
    diese Wand zwischen uns empfinden,
    von der ich nicht weiß woher sie kommt und warum sie da steht und wie wir sie abzutragen haben
    (vielleicht weiß ich es doch,
    vielleicht ist es meine Angst und seine Verschlossenheit,
    die Machtdifferenz –
    aber solche Worte scheinen so groß und abstrakt,
    als passten sie nicht in den kleinen leeren Raum,
    zwischen unseren Herzen).

    Ich will immer noch ein bisschen mehr
    auf mich aufpassen,
    meinen Gefühlen lauschen,
    was sie mir leise ins Ohr flüstern,
    noch kritischer beobachten,
    wie ich mich verhalte,
    wie wir uns verhalten
    und welche Muster wir dabei reproduzieren.

    Ich will nicht den Mut verlieren,
    nicht den Hut verlieren,
    weil mein Kopf so weit nach unten hängt,
    weil mich die Zerrissenheit, die Verletzungen, die Traurigkeit überschwämmt.

    Eigentlich will ich glücklich sein,
    die elektrisierend-entzückende Freude spüren,
    die wir beide schon oft teilten.
    Denn ja, es gab Momente, in denen es ganz anders war.
    (In denen er glücklich war,
    kein Stress da,
    den er auf verkorkstem Wege auf mich projizieren konnte).
    Schöne Momente, aufregende,
    Zeiten in denen ich mich so gut fühlte, mit ihm,
    irgendwie.

    Aber dann ist da wieder die Zerrissenheit
    und alles fühlt sich schwer an und eigentlich
    wünsche ich mir am meisten
    ich könnte mit ihm dadrüber reden.
    (Aber würde er zuhören,
    könnte er verstehen?)

    Ich wünsche mir,
    dass dein Geliebter
    dich nicht vergiftet.


    * Es geht hierbei um männliche-sozialisierte und männlich-gelesene Menschen. Also Menschen, die Macht erhalten, weil sie zu der gesellschaftlichen Klasse der „Männer“ gehören. Der verallgemeinernde Begriff drückt nicht aus, dass JEDER „Mann*“ genau so ist, sondern dass … – okay, ich höre hier mal auf mit meinem Rumgefasel, sorry für den Essay.

    1. Wow ZIA!!!
      Vielen vielen Dank, dass du dein Gedicht hier teilst!
      Ich freue mich unglaublich, dass mein Gedicht ein Anstoß zu dieser reflektierten Aufarbeitung von deinen Gefühlen,Erwartungen und der Beziehung und den Verhältnissen zwischen Frau, Mann und Gesellschaft war. Und ich bewundere deinen Mut, die von dir formulierte Ehrlichkeit hier zu posten. Deshalb Danke.
      Dein Gedicht ist wirklich sehr berührend und trifft seltsamerweise genau zu dem Zeitpunkt hier ein, in dem ich selbst viel über Rollenbilder und Machtbeziehungen nachdenke.
      Ich mag die Klarheit in deiner Sprache, die Präzision, mit der du Gefühle und Situationen benennst.
      Und ich wünsche mir und hoffe, dass wir Frauen auch in Gesellschaft und umgeben von anderen Frauen und Männern aufstehen können und uns mit genau dieser Präzision Gehör verschaffen. Außerdem wünsche mir sehr für dich, dass du die in dir steckende Kraft für dich selbst leuchten siehst, die richtigen Entscheidungen triffst und vor Allem, dass du glücklich wirst. Auf welchem Wege und in welcher Liebe auch immer.

  2. Dein Gedicht hat viel in mir aufgewühlt. Es traf mich in einem Moment, in dem viel in mir feststeckte, in dem ich feststeckte. Ich begann einen Kommentar zu schreiben. Nur ein paar Sätze, vielleicht doch lieber in Gedicht-Form?, noch ein paar Sätze mehr, versuchte ganz, vollkommen auszudrücken, was ich fühlte und immer war da noch etwas mehr. Noch etwas mehr, das ich sagen musste, um verständlich zu machen, worum es ging, um selber zu verstehen, worum es mir ging. Drei Stunden später saß ich immer noch da. Las wieder und wieder und wieder über das wohl am häufigsten überarbeitet Gedicht, meines Lebens (allein dafür, dass du mich dazu gebracht hast, bin ich dir unendlich dankbar). Die Arbeit hat sich aufregend angefühlt, als würde ich endlich genau das ausdrücken, was mir so sehr unter den Nägeln gebrannt hat. Es hat dann nochmal ein paar Wochen gedauert, bis ich es gehen lassen konnte. Ich bin gespannt, ob mich jemensch versteht.

  3. Find grade das Ende ganz toll! Aber auch so generell. Und „nervösen Zittern meiner Seele“ verbildlicht sich für mich immer sehr stark und schön~

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