Inneres Gespräch mit RMR, 2021
So leben wir und nehmen immer Abschied
Die Berg- und Hügelkette, die man vom Ufer aus sieht:
eine Burg grüßt herüber. Wird es noch so sein,
falls ich in der Zukunft wieder hierher komme?
Vielleicht nächstes Jahr schon nicht mehr:
die Wälder auf den Hängen verbrannt oder verdorrt –
braun statt grün?
Das bunte Leben, die Sommerfrischler – nicht mehr hier?
Keine Motorboote, Standup-Paddler, Luftmatratzen, farbige Wasserbälle und -reifen,
Kinderquietschen, Lachen, Gespräche über Menschendinge – vorbei?
Ich sehe alles öde und leer.
Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,
kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,
Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen
nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;
Das selbstverständliche Ruhen in dem So-Sein der Welt: verloren.
Unwiederbringlich.
Abschied nehmen, ein wehmütiger Gruß
an die Berge und Hügel.
Ein „Nie wieder so“.
Die Burg steht malerisch am anderen Ufer.
Niemand lebt mehr aus dieser versunkenen Zeit.
Welche Zeugnisse werden wir hinterlassen?
Wer wird sie betrachten?
Wird es Menschen, Wesen geben?
Wenn nur die Krähen unsere Hinterlassenschaften bewohnen, ist es gut.
Lange nach uns wird der Atommüll weiter strahlen.
Ein nahezu ewiges Zeugnis an die Nachfolgenden.
We are not meant to stay forever. Nothing is ever meant to stay.
Denn Bleiben ist nirgends
Ewiger Fluss des Lebens. Alles ist Prozess.
Alles ist im Wandel, immerwährend.
Ich nehme Abschied von der Welt wie ich sie kannte.
Wieder
und Wieder
und Wieder.
(Kursive Zitate. Rainer Maria Rilke, erste bzw. achte Duineser Elegie.)
Von Claudia Junker