Murmeln

Sie fühlte etwas. Ja, da regte sich was. Eine Anspannung. Ihre Vagina zog sich zusammen. Ihre Blase drückte. Durch ihren rechten Unterarm zog sich ein Kribbeln. Als würde jemand ihre Nervenbahnen fester ziehen, wie Gitarrensaiten.

„Was tust du?“, griff seine Stimme in ihre Welt ein. Sie verursachte ihr Schmerzen. Einen Krampf, in Zwechfellnähe. Ihr Ohr versuchte sich zusammenzuziehen. Als Kind hätte sie jetzt weinen wollen.

Sie sog Luft ein und ließ ihren Bauch sich nach außen wölben. Dann blies sie die Luft durch die Nase wieder heraus. Noch einmal.

„Claire!“, jetzt rüttelte er an ihr. Sie atmete. Versuchte ihre Muskeln wieder zu entspannen, ihn bloß nicht an sich heran zu lassen, ruhig zu bleiben, die Emotionen kommen und gehen zu lassen, wie ein Fluss, nicht klammern, nicht krampfen, fließen.

Der Student, der ihren dreistündigen Yoga-Intensivkurs geleitet hatte, hatte ständig Anekdoten von Streiten mit seiner Freundin erzählt. Immer, wenn er merkte, dass er hitzig wurde, ging er in einen anderen Raum und machte einen Sonnengruß oder den demütigen Krieger oder abtauchenden Hund. Danach konnte er angeblich viel achtsamer weiter streiten.

„Ben“, sagte sie. „Ich habe keine Lust mehr mit dir zu streiten.”

Diese Worte fielen aus ihrem Mund. Sie war so weit in ihrem Atem und den Gedanken an ihren Yogalehrer versunken, dass sie für einen Moment den Kontakt zum Raum, zur Zeit, zu der dreieinhalb Jahre alten Beziehung, die sich schon lange nach altem Scheibengouda und verschimmelten Himbeeren anfühlte, verloren hatte. Die Worte purzelten einfach aus ihr heraus. Da lagen sie, wie Murmeln. Glas klar, unkaputtbar.

Sie hatte nicht viel gesagt, aber es war genug, um ihm verstehen zu geben, dass sie am nächsten Morgen anfangen würde ihre Sachen zu packen, gegen Ende der Woche sich die Kisten türmen und er ab kommendem Monat wieder bei seinen Eltern auf der Couch schlafen würde. Es war genug, um seinem männlichen Ego einen so harten Schlag zu versetzen, dass es zerschellte und er sich im folgenden Augenblick in Luft auflöste.

Als sie die Augen öffnete, stand er noch immer vor ihr und lehnte sich auf die Küchenplatte. Er war noch immer dieser dunkelblonde Typ, mit den Medium-Pumper-Schultern und upper middle class Markenklamotten, von denen sie wusste, dass seine Oma sie ihm finanzierte. Sein Gesicht wirkte leer und gerade das machte ihr Angst.

Er sah sie an und das Laminat und das Fenster hinter ihr, aus dem man den Himmel sah. Der Kühlschrank brummte. Es war Herbst und die Sonne ging bald unter.


Ausgegraben aus alten Ordnern… Ein Anfang? Ein Stück für sich? Sind die Figuren schon am Leben?

2 Gedanken zu „Murmeln“

  1. Wuow!
    Es gibt kejne Worte und Wow beschreibt es nicht, ich fühle mit und fühle als wäre ich drin
    -ohh man, dieses weggehen ohne gehen und sich dabei nicht sehen

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